Betet für den Spätregen – Ellen White

Foto von grünem Gras im Regen

Dieser Artikel, der am 2. März 1897 im Review and Herald veröffentlicht wurde, legt dar, welche Vorraussetzungen an die Gemeinde Gottes gestellt werden, damit der Spätregen auf sie fällt. Übersetzt von Tobias Fichte. Die Teilüberschriften entstammen nicht dem Original. PDF

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Die Bedeutung des Spätregens

Coverbild Spätregen Ellen White

Erbittet euch von dem HERRN Regen zur Zeit des Spätregens! Der HERR ist es, der die Wetterwolken macht, er lässt den Regen regnen“. „Und er lässt euch Regen herabkommen: Frühregen und Spätregen“. Im Osten fällt der Frühregen in der Zeit der Saat. Er ist notwendig, damit der Same keimen kann. Unter dem Einfluss der fruchtbar machenden Schauer beginnt der zarte Spross zu wachsen. Der Spätregen, der gegen Ende der Saison fällt, lässt das Getreide reifen und bereitet es auf die Ernte vor. Der Herr bedient sich dieser Vorgänge in der Natur, um das Werk des Heiligen Geistes darzustellen. Wie der Tau und der Regen zuerst gegeben werden, um den Samen sprießen zu lassen, und dann, um die Ernte reifen zu lassen, so wird der Heilige Geist gegeben, um das geistliche Wachstum von einer zur nächsten Stufe voran zu tragen. Das Reifen des Getreides stellt die Vollendung des Werkes der Gnade Gottes in der Seele dar. Durch die Kraft des Heiligen Geistes muss das moralische Bild Gottes im Charakter vervollkommnet werden. Wir müssen vollständig in das Ebenbild Christi verwandelt werden.

Die geistliche Deutung des Spätregens

Der Spätregen, der die Ernte der Erde reifen lässt, stellt die geistliche Gnade dar, die die Gemeinde auf das Kommen des Menschensohns vorbereitet. Doch wenn der Frühregen nicht gefallen ist, gibt es kein Leben; der grüne Halm wird nicht emporsprossen. Wenn nicht die frühen Schauer ihr Werk getan haben, kann der Spätregen keine Saat vervollkommnen.

Es gibt „zuerst Gras, dann eine Ähre, dann vollen Weizen in der Ähre.“ Christliche Tugenden müssen sich stetig entwickeln, die christliche Erfahrung stets voranschreiten. Danach sollten wir mit intensivem Sehnen streben, sodass wir ein Schmuck für Lehre Christi, unseres Heilands, sein können.

Vorraussetzungen für den Spätregen

Viele haben es in großem Maße versäumt, den Frühregen zu empfangen. Sie haben nicht all jene Wohltaten erlangt, die Gott auf diese Weise für sie vorbereitet hat. Sie erwarten, dass dem Mangel durch den Spätregen abgeholfen wird. Wenn das reichste Übermaß der Gnade verliehen werden wird, wollen sie ihre Herzen öffnen, um es zu empfangen. Sie unterliegen einem fürchterlichen Irrtum. Das Werk, das der Herr im menschlichen Herzen begonnen hat, indem er sein Licht und seine Erkenntnis gibt, muss kontinuierlich voranschreiten. Jeder einzelne muss seine eigene Not erkennen. Das Herz muss von jeder Verunreinigung befreit und für das Innewohnen des Heiligen Geistes gereinigt werden. Es geschah durch das Bekenntnis und Ablegen der Sünde, durch ernstes Gebet und die eigene Weihe für den Herrn, dass die damaligen Jünger sich auf die Ausgießung das Heiligen Geistes am Pfingsttag vorbereiteten. Das gleiche Werk, nur in größerem Ausmaß, muss jetzt getan werden. Damals mussten die menschlichen Mitarbeiter nur um den Segen bitten und darauf warten, dass der Herr das ihm gewidmete Werk vollendet. Es war Gott, der das Werk begann, und Er wird Sein Werk abschließen, indem er den Menschen in Christus vollkommen macht. Jedoch darf es keine Vernachlässigung jener Gnade geben, die der Frühregen repräsentiert. Nur diejenigen, die das empfangene Licht ausleben, werden größeres Licht empfangen. Wenn wir nicht täglich darin voranschreiten, aktive Vorbilder christlicher Tugenden zu sein, werden wir die Wirkung des Heiligen Geistes im Spätregen nicht erkennen. Er mag auf die Herzen um uns herum fallen, doch wir werden ihn weder wahrnehmen noch empfangen.

Notwendigkeit des Gebets
closeup photo of green grass field
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Zu keinem Zeitpunkt unserer Erfahrung können wir auf die Hilfe verzichten, die uns den ersten Start ermöglicht. Die durch den Frühregen empfangenen Segnungen benötigen wir bis zum Ende. Diese allein werden jedoch nicht genügen. Während wir den Segen des Frühregens erfahren, dürfen wir andererseits die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass die Ernte ohne den Spätregen, der die Ähren füllt und das Getreide reifen lässt, nicht für die Sichel bereit sein und die Arbeit des Sämanns umsonst gewesen sein wird. Göttliche Gnade ist am Beginn nötig, göttliche Gnade während jedes Schritts nach vorn, und göttliche Gnade allein kann das Werk abschließen. Es ist kein Raum für uns, in einer leichtsinnigen Haltung zu verharren. Wir dürfen niemals die Warnungen Christi vergessen: „Wachet im Gebet“, „Wachet, … und betet ohne Unterlass“. Eine Verbindung mit der göttlichen Hilfe ist in jedem Moment entscheidend für unseren Fortschritt. Wir haben vielleicht ein Maß des Geistes Gottes empfangen, aber durch Gebet und im Glauben müssen wir kontinuierlich noch mehr des Geistes begehren. Es wird zu keinem Zeitpunkt ausreichen, wenn wir unsere Bemühungen einstellen. Wenn wir nicht voranschreiten, wenn wir uns nicht in die Lage versetzen, um sowohl den Früh- als auch den Spätregen zu empfangen, werden wir unsere Seelen verlieren, und die Verantwortung dafür wird bei uns selbst zu finden sein.

Erbittet euch von dem HERRN Regen zur Zeit des Spätregens!“ Beruhige dich nicht damit, dass der Regen gemäß der Jahreszeit schon fallen wird. Bitte darum! Das Wachstum und die volle Reife des Samens liegt nicht allein am Ackerbauern. Gott allein kann die Ernte zur Reife bringen. Die Mitarbeit des Menschen ist jedoch unerlässlich. Gottes Werk für uns erfordert die Bewegung unseres Gemüts, die Übung unseres Glaubens. Wir müssen mit ganzem Herzen um seine Gunst ringen, wenn uns die Schauer der Gnade erreichen sollen. Wir sollten jede Gelegenheit nutzen, uns in den Kanal des Segens zu begeben. Christus sagte: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ Gemeindeversammlungen wie Campmeetings, Zusammenkünfte in der Hausgemeinde und alle Gelegenheiten, bei welchen persönliche Arbeit für Seelen getan wird, sind von Gott dafür vorgesehen, den Früh- und den Spätregen zu geben.

Persönliche Verantwortung

Es denke jedoch niemand, dass die Pflicht mit dem Besuch solcher Versammlungen getan wäre. Der Besuch aller abgehaltenen Zusammenkünfte bringt für sich gesehen der Seele noch keinen Segen. Es ist kein unumstößliches Gesetz, dass der Himmel alle, die große Versammlungen oder örtliche Treffen besuchen, reichlich segnet. Die Umstände mögen für ein reiches Ausgießen von Schauern der Gnade zuträglich erscheinen. Doch Gott selbst muss dem Regen gebieten, zu fallen. Deshalb sollte unser Flehen nicht nachlassen. Wir dürfen uns nicht auf den gewöhnlichen Gang der Vorhersehung verlassen. Wir müssen dafür beten, dass Gott die Schleusen des lebendigen Wassers öffnet, um es selbst zu empfangen. Lasst uns mit reuevollen Herzen und mit tiefer Ernsthaftigkeit darum beten, dass die Gnadenschauer jetzt, in der Zeit des Spätregens, auf uns niedergehen mögen. Bei jedem Treffen, dem wir beiwohnen, sollten unsere Bitten aufsteigen, dass Gott unseren Seelen genau jetzt Feuchtigkeit und Wärme verleihen möge. Wenn wir Gott um den Heiligen Geist bitten, wird er in uns Sanftmut, einen demütigen Geist und das Bewusstsein unserer Abhängigkeit von Ihm im Hinblick auf den vollkommenden Spätregen hervorrufen. Wenn wir im Glauben um den Segen bitten, werden wir ihn der Verheißung Gottes entsprechend empfangen.

Sacharjas Prophezeiung des Geistes

Die fortlaufende Hinwendung des Heiligen Geistes zur Gemeinde wir durch den Propheten Sacharja noch durch ein anderes Bild dargestellt, das eine wunderbare Lektion der Ermutigung für uns enthält. Der Prophet sagt [Sacharja 4]:

Und der Engel, der mit mir redete, kam wieder und weckte mich wie einen Mann, der aus seinem Schlaf geweckt wird. Und er sprach zu mir: Was siehst du? Und ich sagte: Ich sehe: und siehe, ein Leuchter ganz aus Gold und sein Ölgefäß oben auf ihm und seine sieben Lampen auf ihm, je sieben Gießröhren für die Lampen, die oben auf ihm sind; und zwei Ölbäume neben ihm, einer zur Rechten des Ölgefäßes und einer auf seiner Linken. Ich antwortete und sagte zu dem Engel, der mit mir redete: Was sind diese, mein Herr? … Da antwortete er und sprach zu mir: Dies ist das Wort des HERRN an Serubbabel: Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR der Heerscharen. … Und ich antwortete und sagte zu ihm: Was sind diese zwei Ölbäume zur Rechten des Leuchters und zu seiner Linken? … Da sprach er: Dies sind die beiden Gesalbten, die bei dem Herrn der ganzen Erde stehen.

Sacharja Kapitel 4

Von den beiden Olivenbäumen wurde das goldene Öl durch goldene Röhren in das Ölgefäß und von dort in die goldenen Lampen geleitet, die dem Heiligtum Licht gaben. So wird Sein Geist von den Heiligen, die in der Gegenwart Gottes stehen, jenen Menschen übermittelt, die zu seinem Dienst geheiligt sind. Die Mission der beiden Gesalbten ist es, Gottes Volk mit Licht und Kraft zu versorgen. Sie stehen in der Gegenwart Gottes, um Segnungen für uns zu empfangen. Wie sich die Olivenbäume in die goldenen Röhren ergießen, so streben die himmlischen Botschafter danach, all das, was sie von Gott erhalten, weiterzugeben. Der ganze himmlische Schatz wartet darauf, von uns beansprucht und empfangen zu werden, und sowie wir den Segen empfangen, ist es an uns, ihn weiterzugeben. Auf diese Weise werden die heiligen Lampen gefüllt, und die Gemeinde wird zum Lichtträger in der Welt.

Der Tempel Salomos, ein Abbild des himmlischen Originals; Bild von Sweet Publishing / FreeBibleimages.org.

Dies ist das Werk, auf dessen Ausführung der Herr in dieser Zeit, in der die vier Engel die vier Winde halten, jede Seele vorbereiten will, damit die Winde nicht blasen bis die Knechte Gottes an ihren Stirnen versiegelt sind. Es ist jetzt keine Zeit für Selbstgefälligkeit. Die Lampen der Seele müssen geputzt sein. Sie müssen mit dem Öl der Gnade versorgt werden. Jede Vorsichtsmaßnahme muss ergriffen werden, um geistlichen Niedergang zu vermeiden, sonst wird der große Tag des Herrn über uns kommen wie ein Dieb in der Nacht. Jeder Zeuge für Gott soll sich jetzt auf intelligente Weise in die Reihen eingliedern, die Gott berufen hat. Wir sollten täglich eine tiefe und lebendige Erfahrung darin erlangen, einen vollkommenen christlichen Charakter auszubilden. Wir sollten täglich das heilige Öl empfangen, das wir an andere weitergeben können. Alle können Lichtträger für die Welt sein, wenn sie dies wollen. Wir müssen unser Selbst in Jesus aus unserem Blickfeld entfernen. Wir müssen das Wort des Herrn in Rat und Weisung annehmen und es froh weitergeben. Es bedarf jetzt vielen Gebets. Christus befiehlt: „Betet ohne Unterlass“, das bedeutet, richtet euer Bewusstsein bleibend aufwärts zu Gott hin, der Quelle aller Kraft und Leistungsfähigkeit.

Wir mögen lange dem engen Pfad gefolgt sein, aber das ist kein sicherer Beweis, dass wir bis zum Ende auf ihm weitergehen. Wenn wir mit Gott in der Gemeinschaft des Geistes gewandelt sind, dann deshalb, weil wir ihn täglich im Glauben gesucht haben. Von den beiden Olivenbäumen wurde das durch die beiden goldenen Röhren fließende Öl an uns weitergeleitet. Diejenigen jedoch, die den Geist und die Gewohnheit des Gebets nicht kultivieren, können nicht erwarten, das goldene Öl der Güte, Geduld, Langmut, Freundlichkeit und Liebe zu empfangen.

Der Weg der Heiligung

Jeder muss sich von der Welt, die voller Übertretung ist, fernhalten. Wir sollen nicht nur eine Zeit lang mit Gott gehen, um dann die Gemeinschaft mit ihm zu verlassen und in der Glut unseres eigenen Feuers zu laufen. Es bedarf einer festen Beständigkeit, einer Beharrlichkeit im Glaubenswandel. Wir sollen Gott preisen, seine Herrlichkeit in einem gerechten Charakter sichtbar werden lassen. Keiner von uns wird den Sieg erringen ohne beharrliche, unermüdliche Bemühungen, die dem Wert dessen, wonach wir suchen, nämlich das ewige Leben, entsprechen.

Die Dispensation in der wir jetzt leben, ist – sollte jemand danach fragen – die Dispensation des Heiligen Geistes. Bittet um seinen Geist. Es ist Zeit, unsere Andachten zu intensivieren. Uns ist das mühsame, aber frohe, ruhmreiche Werk anvertraut, Christus jenen zu offenbaren, die in Dunkelheit sind. Wir sind dazu berufen, die besonderen Wahrheiten für diese Zeit zu verkünden. Für all dies ist die Ausgießung des Geistes entscheidend. Wir sollten dafür beten. Der Herr erwartet von uns, Ihn zu bitten. Wir sind dieses Werk bislang nicht mit ganzem Herzen angegangen.

Was kann ich meinen Geschwistern im Namen des Herrn sagen? In welcher Weise entsprechen unsere Bemühungen dem Licht, das der Herr uns gewährt hat? Wir können uns nicht auf äußere Formen oder externe Maschinerie verlassen. Was wir brauchen ist der belebende Einfluss des Heiligen Geistes Gottes. „Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR der Heerscharen.“ Betet unaufhörlich, und gebt acht, auch entsprechend eurer Gebete zu handeln. Wenn du betest, glaube, vertraue auf Gott. Es ist die Zeit des Spätregens, in der der Herr reichlich von seinem Geist geben will. Seid anhaltend im Gebet, und wacht im Geist.

E.G. White, Review and Herald, 2. März 1897 (Übersetzung: T. Fichte)

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