Hat sich Jesus selbst auferweckt?

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Diesen Artikel habe ich in Zusammenarbeit mit meinem Vater erstellt. –MF

Ausgangspunkt: Johannes 10,17.18

Viele Christen benutzen folgende Stelle aus dem Johannesevangelium, um darzulegen, dass Jesus auch während der drei Tage seines Todes bei Bewusstsein gewesen sei.

(17) Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf daß ich es wiedernehme. (18) Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.

Johannes 10,17-18 (Elberfelder)

Wie kann Jesus sich sein Leben wiedernehmen, wenn er selbst tot ist? Es muss zumindest der göttliche Teil seiner Natur am Leben geblieben sein und ihm ermöglicht haben, sich das menschliche Leben am dritten Tag nach seiner Kreuzigung wieder einzuflößen, so der Gedanke. Aber Vorsicht – wir sollten die Redewendung genauer ansehen, um nicht zu vorschnell Schlüsse zu ziehen.

Die „Macht“, etwas zu tun

Wenn Jesus sagt, er habe die „Gewalt“, sein Leben zu lassen und es wiederzunehmen, benutzt Johannes das griechische Wort ἐξουσία (exusia – Strong’s G1849), das auch mit „Macht“, „Privileg“ oder „Fähigkeit“ übersetzt werden könnte. Dasselbe Wort finden wir im Buch der Offenbarung, wo Johannes über die “zwei Zeugen” prophezeit:

Diese haben die Gewalt, den Himmel zu verschließen, auf dass während der Tage ihrer Weissagung kein Regen falle; und sie haben Gewalt über die Wasser, sie in Blut zu verwandeln, und die Erde zu schlagen mit jeder Plage, so oft sie nur wollen.

Offenbarung 11,6

Eine gängige protestantische Auslegung dieser Prophezeiung ist, dass die beiden Zeugen, die 1260 Tage in Sacktuch weissagen sollen (V. 3), das Alte und das Neue Testament darstellen, die während der Zeit der Vorherrschaft der Katholischen Kirche nur in Sacktuch „weissagen“ konnten. Aber auch, wenn man die zwei Zeugen anders deuten möchte – es erscheint offensichtlich, dass sie nicht Gott selbst darstellen, sondern ihm als Zeugen seiner Wahrheit dienen.

Dennoch wird hier berichtet, dass sie die Macht (gleiches Wort wie Johannes 10,18 – ἐξουσία) haben, die Himmel zu verschließen, Wasser in Blut zu verwandeln und Plagen über die Erde zu bringen. Letztlich ist alles, was hier aufgezählt wird, übernatürliches Eingreifen, welches nur von der Gottheit selbst verursacht werden kann. Nun stellt sich natürlich die Frage: Bedeutet das tatsächlich, dass die beiden Zeugen das aus eigener Kraft tun? Es wirkt so, auch wegen des Zusatzes „so oft sie nur wollen“ (V. 6). Aber es muss beachtet werden, dass wir uns hier im Buch der Offenbarung befinden, in dem nicht unüblich ist, dass Dinge oder Institutionen als Personen auftreten, wie beispielsweise die gefallene Religion als Hure Babylon.

Uns scheint es naheliegend, dass die Bibel hier schlicht zum Ausdruck bringen will, dass kein Regen fällt, solange die beiden Zeugen in Sacktuch weissagen. In der Übertragung wäre die Aussage also, dass solange die Bibel nicht frei studiert werden kann, auch kein heiliger Geist ausgegossen werden kann. Die „Gewalt“ der beiden Zeugen über den Regen beschreibt also die Rolle, die Gott den beiden Zeugen zugedacht hat. Es ist nicht so, dass sie in gottgleicher Manier über Himmel und Erde bestimmen.

Es gibt noch eine weitere Stelle in der Bibel, in der ein verwandter Gedanke zu finden ist:

Der Schlüssel des Reiches der Himmel

Aber auch ich sage dir, daß du bist Petrus; und auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen. Und ich werde dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was irgend du auf der Erde binden wirst, wird in den Himmeln gebunden sein, und was irgend du auf der Erde lösen wirst, wird in den Himmeln gelöst sein.

Matthäus 16,18-19

Sagt Jesus mit diesen Worten aus, dass Petrus tatsächlich entscheiden darf, wer in den Himmel kommt und wer nicht? Wir denken nicht. Jesus beschreibt hier die Rolle, die Gott der Gemeinde auf Erden zugedacht hat. Den Schlüssel zum Himmel hat nicht Petrus allein, sondern jeder Gläubige, der das vom Geist bewirkte Bekenntnis des Sohnes Gottes spricht (vgl. Mt 18,18; Joh 20,23). Gott hat seiner Gemeinde nicht die Macht gegeben, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, wer in den Himmel kommt und wer nicht. Er hat seiner Gemeinde die Macht gegeben, seinen Geist in die Welt zu tragen, sodass verlorene Menschen durch die Begegnung mit Gläubigen die Möglichkeit erhalten, ewiges Leben zu ergreifen oder zu verwerfen. Was die Gemeinde auf Erden bindet, das wird auch im Himmel gebunden. Diese Rolle hat Gott ihr im Erlösungsplan zugeteilt.

Jesus nimmt sein Leben wieder?

Wenn wir die beiden Stellen zu den zwei Zeugen und Petrus im Hinterkopf behalten, fällt die Aussage Jesu an die richtige Stelle. Die Schlachter-Übersetzung hilft, die Missverständnisse des ersten Eindrucks auszuräumen.

17 Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich’s wieder empfange. 18 Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu empfangen. Dies Gebot habe ich empfangen von meinem Vater.

Johannes 10,17-18 (Schlachter 2000)

Jesus hat die Macht, sein Leben „wieder zu empfangen“. Das Verb hier lautet λαμβάνω (lambano – Strong’s G2983). Es ist genau das gleiche Verb wie im nächsten Satz, bei dem auch die Elberfelder übersetzt: „Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen“ (V. 18). Der Gedanke ist hier also nicht zwingend, dass Jesus sich selbst zum Leben erwecken würde. Er bringt nur zum Ausdruck, dass Gott ihm den Auftrag gegeben hat, zu sterben, um wieder aufzuerstehen. So wie er auch Petrus (und der Gemeinde) den Auftrag gegeben hat, den Menschen das ewige Leben zu bringen, oder den zwei Zeugen, durch ihr Weissagen in Sacktuch den Himmel zu verschließen.

Aber beinhaltet der Ausspruch von Jesus in Johannes 10,17-18 nicht den Anspruch auf Göttlichkeit? Darum geht es auf Seite 2.

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