Dieser Aufsatz wurde von Tobias Fichte erstellt. PDF
Vorbemerkung

Gottes Wort ist Wahrheit – dementsprechend beschönigt die Bibel nichts, sondern stellt Er- eignisse und Sachverhalte so dar, wie sie gewesen sind, oder (in den prophetischen Texten) wie sie kommen werden. Neben den Verheißungen und Tröstungen, den Zusagen von Gnade und Vergebung, sind im Evangelium auch Warnungsbotschaften und zuweilen deutliche Worte der Kritik enthalten, jedoch nicht, um den Wahrheitssuchenden Angst einzuflößen, sondern um ihnen den Ernst der Lage zu verdeutlichen; nicht, um Zweifelnde zu entmutigen, sondern um so viele Menschen wie möglich zu retten. Wir haben einen Gott, der nicht will, „dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen“ (2. Petrus 3,9), und er hat die Welt so sehr geliebt, „dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“ (Johannes 3,16).
Die biblische Endzeit-Prophetie sagt den Untergang von Nationen, Kirchen und Systemen voraus, die heute existieren. Damit ist jedoch nicht das Schicksal aller Menschen gemeint, die heute diesen Nationen oder Systemen angehören. Vielmehr hat Gott jeden Menschen mit der Fähigkeit ausgestattet, nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidungen zu treffen. Insofern geht es nicht um die Verurteilung von Menschen, sondern darum, dass Jesus seinen Nachfolgern in Zeiten unübersichtlicher Verhältnisse durch das biblische Wort eine entscheidende Hilfe gibt, die Lüge zu erkennen und die Wahrheit zu wählen.
Einleitung
Eines der großen Rätsel im Buch der Offenbarung ist das in Kapitel 17 beschriebene scharlachrote Tier, auf dem eine Frau sitzt:
Und er führte mich im Geist hinweg in eine Wüste; und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das voller Lästernamen war und sieben Köpfe und zehn Hörner hatte.
Offenbarung 17,3
Bevor im späteren Verlauf der vorliegenden Ausführungen auf die Frau eingegangen wird, soll zunächst das Tier betrachtet werden (Anmerkung 1). Wie der in Offenbarung 12 erscheinende feuerrote Drache und auch das Tier aus dem Meer in Kapitel 13 hat es sieben Köpfe und zehn Hörner (zu letzteren ebenfalls später), was einen Zusammenhang nahelegt. Die richtige Deutung dieser unnatürlichen Symbol-Wesen und ihrer Attribute, vor allem der sieben Köpfe, verspricht wertvolle Aufschlüsse über geschichtliche Verläufe auf das Ende der Welt (Anmerkung 2) hin.
Anmerkung 1
Eine der Grundlagen für die folgende Deutung der behandelten Texte ist das Buch Der große Konflikt (auch: Der Große Kampf zwischen Licht und Finsternis oder Vom Schatten zum Licht) von E.G. White.
Anmerkung 2
Das Tier geht erst ins Verderben, wenn es in der letzten großen Auseinandersetzung der Weltgeschichte Chris- tus und seinem Heer unterliegen und in den Feuersee geworfen wird (Offenbarung 19,20).
Hier ist der Verstand 〈nötig〉, der Weisheit hat: Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt. Und es sind sieben Könige: 10 Die fünf 〈ersten〉 sind gefallen, der eine ist, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kurze Zeit bleiben. 11 Und das Tier, das war und nicht ist, es ist selbst sowohl ein achter als auch von den sieben und geht ins Verderben.
Offenbarung 17,9-11
Viele Beiträge haben bereits zur Auslegung der vorliegenden Symbolik bzw. der gesamten Vision beigetragen. Die folgenden Gedanken verstehen sich als Ergänzung zu diesen Darlegun- gen im Sinne einer Beleuchtung verschiedener Details.
Zwei „Schlüssel“ sollen als Ausgangspunkte für weitere Überlegungen dienen: Die Identität des Drachens in Offenbarung 12 sowie Prinzipien der Auslegung biblischer Prophetie am Beispiel von Daniel 8.
Der Drache in Offenbarung 12
Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel: Und siehe, ein großer, feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner und auf seinen Köpfen sieben Diademe hatte …
Offenbarung 12,3

An der Identität des Drachens lässt der Text noch im selben Kapitel keinen Zweifel: Er ist „die alte Schlange, der Teufel und Satan genannt wird“ (12,9). Der Drache, die Schlange (vgl. Psalm 91,13), war seit der Verführung des ersten Menschenpaars die ganze Geschichte hindurch in der Welt aktiv, und im zwölften Kapitel der Offenbarung werden wesentliche Züge seiner Aktivitäten von der Zeit, bevor der Messias auf die Erde kam, bis zu den letzten Tagen der Weltgeschichte beschrieben. Ähnlich der Prophezeiung in Daniel 8 werden die Grundzüge historischer Entwicklungen über viele Jahrhunderte dargestellt, die in den jeweils darauffolgenden Kapiteln sodann näher erläutert werden.
In Offenbarung 12 sind drei Phasen deutlich zu unterscheiden:
- Die Zeit des Römischen Reichs (Off 12,4.5 mit dem Hinweis auf den Versuch, den Sohn Gottes zu vernichten, als er auf die Erde kam)
- Die Phase der Verfolgung der aufrichtig Gläubigen, dargestellt durch die Frau, während des Mittelalters (Off 12,6.13-16)
- Der Krieg gegen die „Übrigen“, die Nachkommen der Frau, am Ende der Weltgeschichte (Off 12,17)
Bemerkenswert ist, dass Michael (d.h. Jesus Christus, vgl. Daniel 12,1) und seine Engel den Drachen und dessen Engel (offensichtlich vor der zweiten Phase) besiegen und auf die Erde werfen; das himmlische bzw. geistliche Reich Christi war nun aufgerichtet (12,10). Damit ist zwar eine Vorentscheidung im großen Kampf zwischen Licht und Finsternis gefallen; der Kampf ist aber dennoch nicht zu Ende, denn der Drache stellt dem Volk Gottes auf der Erde weiterhin nach, und es ist Satan immer noch möglich, gegen die Heiligen Krieg zu führen und sie zu überwinden (vgl. 13,7). In den Kapiteln 13 und 17 wird deutlich, dass er sich dabei irdischer Mächte bedient, zumal ihm die dort dargestellten „Tiere“ sehr ähneln: „Sieben Köpfe und 10 Hörner“ (siehe oben); „redete wie ein Drache“ (13,11). Der Drache ist offensichtlich der Inbegriff des prophetischen Tiers. Satan ließ sich in Form des Goldenen Kalbs (und anderer Tier- Gottheiten) anbeten und ist der König jeder götzendienerischen bzw. gottlosen weltlichen Macht (vgl. Jesaja 14, Hesekiel 28).
Von besonderer Bedeutung für die biblische Prophetie sind jene irdischen Mächte, die sowohl Weltreiche waren bzw. noch sind und die Satan in besonderer Weise instrumentalisiert, um Gottes Volk zu verfolgen. Hier kommen dem Bibelleser sogleich die vier Weltreiche in den Sinn, die im Buch Daniel durch verschiedene Symbole dargestellt werden: Babylon, Medo-Persien, Griechenland und Rom (Daniel 2, 7 und 8). Bevor wir diese Spur zu einer Deutung der sieben Häupter des Drachens bzw. des Tiers weiterverfolgen, soll noch der bereits erwähnte zweite „Schlüssel“ erläutert werden.
Prinzipien der Prophetie-Auslegung am Beispiel von Daniel 8

Der Umbruch der Verhältnisse vom Alten hin zum Neuen Bund durch das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi sowie die anschließende Inthronisierung des Sohnes Gottes im Himmel (Offenbarung 5) brachte markante Veränderungen der Situation von Gottes Volk auf der Erde mit sich: Es war nun nicht mehr in einer irdischen Nation verankert wie vormals Israel bzw. Juda, sondern es bestand fortan aus Gläubigen aller Nationen, die als Nachfolger Jesu zum geistlichen Reiches Gottes zählen (Johannes 18,36). Damit wurde in besonderer Weise offenbar, dass der Konflikt zwischen Gut und Böse, der zu Zeiten des Alten Testaments immer wieder auch mit kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und seinen Feinden einherging, eigentlich ein geistlicher Kampf ist (Epheser 6,12-18) (Anmerkung 3), der spätestens seit der christlichen Zeitenwende auch nicht mehr zwischen irdischen Nationen ausgefochten wird (wenngleich es in christlichen Kreisen dazu andere Auffassungen gibt). Welche Konsequenzen hat dies nun für die Deutung von Prophezeiungen wie etwa derjenigen in Daniel 8, die zur Zeit des persischen Weltreichs im 6. Jh. v. Chr. beginnt (Vers 20) und bis zur Endzeit der Weltgeschichte reicht (Verse 17 und 25)?
Anmerkung 3
Konsequenter Weise wird die Zeit des Neuen Bunds auch „Dispensation des Heiligen Geistes“ genannt (E.G. White, Review and Herald, 2. März 1897).
Unter Berufung auf die prophetischen Bücher glaubte das alte Volk Israel daran, dass eines Tages der Messias kommen, ihre Nation als irdisches Königreich Israel wiederherstellen und zum mächtigsten Reich der Erde machen würde. Nachdem Jesus von Nazareth ihre Erwartungen nicht erfüllte, lehnten ihn die meisten Juden als Messias ab. Nur wenige erkannten die geistliche Dimension des wahren göttlichen Reiches, obwohl diese durch Propheten bereits deutlich offenbart worden war (vgl. Jeremia 31,31-34) und Christus selbst ausdrücklich darauf hinwies (Johannes 4,21-24).
Im Zuge der wachsenden Erkenntnis in der Zeit des Endes (wie in Daniel 12,4 vorausgesagt) haben vor allem Ausleger der Adventbewegung darauf hingewiesen, dass jene prophetischen Ereignisse, die sich auf das christliche Zeitalter beziehen, eine besondere geistliche Dimension haben, wie am Beispiel von Daniel 8 exemplarisch deutlich gemacht werden kann:
Und aus dem einen von ihnen kam ein einzelnes Horn hervor, 〈zunächst〉 klein, aber es wurde übermäßig groß gegen Süden und gegen Osten und gegen die Zierde. 10 Und es wuchs bis an das Heer des Himmels, und es warf 〈einige〉 von dem Heer und von den Sternen zur Erde herab und zertrat sie. 11 Selbst bis an den Obersten des Heeres wuchs er 〈empor〉. Und er nahm ihm das regelmäßige 〈Opfer〉 weg, und die Stätte seines Heiligtums wurde gestürzt. 12 Und ein 〈Opfer〉dienst wurde verbrecherisch gegen das regelmäßige 〈Opfer〉 eingerichtet. Und 〈das Horn〉 warf die Wahrheit zu Boden und hatte Erfolg.
Daniel 8,9-12

Das kleine Horn, das überaus groß wurde, stellt hier zum einen das Römische Reich dar, das auf Griechenland als Weltmacht folgte und in diesem Zuge Judäa zunächst unterwarf („gegen die Zierde“) und 70 n. Chr. mit der Zerstörung Jerusalems sogar das Ende der jüdischen Nation herbeiführte („die Stätte seines Heiligtums wurde gestürzt“). Gleichzeitig trifft die Beschreibung des kleinen Horns auch in einem geistlichen Sinn auf den Nachfolger des weltlichen Rom, das Papsttum zu, das dem obersten des Himmelsheeres (Anmerkung 4) das „regelmäßige 〈Opfer〉“ wegnimmt, indem es das die biblische Wahrheit durch die Vermischung mit heidnischen religiösen Praktiken zu Boden wirft und damit Erfolg hat. Der im Buch Daniel mehrmals erwähnte Gräuel der Verwüstung (7,23; 8,13; 9,18; 9,27; 11,31; 12,11) lässt sich entsprechend, und je nach Kontext, sowohl auf die Zerstörung des historischen Jerusalems und seines Tempels beziehen wie auch auf den Angriff auf den wahren christlichen Gottesdienst und auf diejenigen, die diesen aufrecht erhalten wollen, durch das geistliche Rom, welches im Buch der Offenbarung auch Babylon genannt wird. Diese doppelte Anwendung nahm Jesus selbst in seiner ‚Endzeitrede‘ vor:
Anmerkung 4
Damit kann nur der Engelsfürst Michael, also Jesus Christus gemeint sein.
Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch Daniel, den Propheten, geredet ist, an heiliger Stätte stehen seht – wer es liest, der merke auf! –, 16 dann sollen die in Judäa auf die Berge fliehen […] 21 Denn dann wird große Bedrängnis sein, wie sie von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist und auch nie sein wird. 22 Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch gerettet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden.
Matthäus 24,15.16.21.22
Hier überlagern sich in den Darlegungen Christi die Zerstörung Jerusalems durch die römi- schen Truppen unter dem Thronerben Titus im Jahr 70 n. Chr. und die Bedrohung des endzeitlichen Gottesvolks durch das geistliche Rom, was ein aufschlussreicher Hinweis auf die geistliche Bedeutungsebene der Prophetie für die christliche Ära im Allgemeinen und die Endzeit im Besonderen ist.
Schlussfolgerungen für die Deutung der sieben Häupter des Drachens
Wie oben erwähnt deutet einiges darauf hin, dass die sieben gekrönten Häupter des Drachens sieben Reiche bzw. Mächte darstellen, durch welche Satan das Volk Gottes in besonderer Weise verfolgt hat, zumal sie auch zu den bedeutendsten Repräsentanten jenes anti-göttlichen religiösen Systems zählen, das im frühen Babylon nach der Sintflut seinen Ursprung hatte (Anmerkung 5).
Anmerkung 5
Vgl. Alexander Hislop: The Two Babylons, London 1853.
- Babylon
- Medo-Persien
- Griechenland
- Rom
Wenn wir nun das Prinzip einer erweiterten geistlichen Deutung von prophetischen Voraussagen für das christliche Zeitalter, wie am Beispiel des Buchs Daniel dargelegt, auch auf die Symbolik im Buch der Offenbarung übertragen, so wäre die Schlussfolgerung, dass die nach jenen vier Reichen der Antike noch verbleibenden drei Häupter des Drachens, die in die Zeit des Neuen Testaments fallen, in einem erweiterten Sinn geistliche Mächte repräsentieren, welche die historischen Erben der kulturellen Entwicklungen des Abendlands sind, denn vor allem durch sie stritt Satan nun gegen das geistliche Israel und wird es bis zum Ende tun. Treffen diese Überlegungen zu, so liegen für deren Identifizierung folgende drei Mächte nahe:
- der Katholizismus
- der Säkularismus / Spiritualismus
- der abgefallene Protestantismus
Jede dieser drei Strömungen wird zudem – im oben dargelegten Sinn der beiden Bedeutungs- ebenen sprichwörtlich/geistlich – durch jeweils eine exemplarische politische Entität im Buch der Offenbarung „vertreten“: der Katholizismus durch das mittelalterliche Papsttum als Tier aus dem Meer (Offenbarung 13,1ff), der Säkularismus durch das Frankreich der Revolution als Tier aus dem Abgrund (11,7) und der abgefallene Protestantismus durch das Tier aus der Erde (13,11ff), das die USA darstellt.
Es war das römisch-katholische System der Inquisition, das im Mittelalter nicht nur Millionen von vermeintlich oder tatsächlich Andersdenkenden sprichwörtlich verfolgte; die Kirche verdunkelte den Menschen außerdem mit ihrer stark vom antiken Heidentum beeinflussten Lehren kraft ihrer Stellung den Zugang zum Evangelium bis heute.

Der mit dem Ende des Mittelalters aufkommende „Wettstreit“ zwischen der Reformation einerseits und dem Humanismus bzw. der Aufklärung andererseits um die Ablösung der Vormachtstellung des Katholizismus schien spätestens mit der Französischen Revolution zugunsten der Aufklärung entschieden. Jene Nation, die protestantische Bewegungen wiederholt brutal bekämpft hatte (Albigenserkreuzzug 1209-1229, Bartholomäusnacht 1572, Vertreibung der Hugenotten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts), stellte nun zwar nur kurzzeitig, aber ähnlich radikal gegen den katholischen Adel und Klerus vorgehend, als erster Staat eine säkularistische Gesellschaftsordnung bzw. Gesetzgebung auf. Damit fügte Frankreich dem Tier aus dem Meer eine tödliche Wunde zu (13,3): Die politische Macht des Papsttums war vorerst gebrochen, und es begann eine neue Ära, in der Kirche und Staat getrennt werden sollten. Nach und nach griff in Europa die Säkularisierung um sich; Denken, Bildung und gesellschaftliches Leben orientierten sich trotz der Beibehaltung äußerlicher Formen von Religiosität zunehmend an Wissenschaft und Fortschritt.
Zu späteren Vertretern antireligiöser Ideologien, unter welchen aufrechte Christen teils heftige Verfolgungen erleiden mussten, zählen die kommunistische Sowjetunion mit ihren (zwangs-) verbündeten Sattelitenstaaten, sowie der deutsche Nationalsozialismus. Innerhalb dieser neuen, dem Anschein nach materialistischen Systeme, spielte transzendentales Gedankengut gleichwohl eine große Rolle. Wer sich mit den persönlichen Überzeugungen führender Nationalsozialisten oder Kommunisten beschäftigt, wird feststellen, dass diese nicht selten von spiritualistischen Einflüssen geprägt waren. Dies trifft, wenn auch unter meist ganz anderen ideologischen Vorzeichen, für viele heute allgemein geschätzte „Vordenker“, seien es Politiker, Philosophen, Künstler oder Naturwissenschaftler, zu.
Aus heutiger Perspektive ist festzustellen, dass Satan in über 200 Jahren des Säkularismus und Spiritualismus im „christlichen Abendland“ ganze Arbeit geleistet hat: Den Kirchen ist jegliche geistliche Kraft abhanden gekommen, und die große Mehrheit ihrer Mitglieder führt einen weltlichen Lebenswandel, setzt sich den dämonischen Einflüssen der Unterhaltungsindustrie aus und ist kaum mehr mit den biblischen Wahrheiten vertraut. –
In der prophetischen Darstellung der Weltgeschichte durch die sieben Häupter des Drachens bzw. des Tiers (Offenbarung 12, 13 und 17) steht das siebte gegenwärtig noch aus. Dieses wird dem fünften ähneln, das zwar eine tödliche Wunde erhielt, jedoch irgendwann eine Heilung erfährt (13,3; 17,8.11). Vielleicht entpuppt sich das siebte Haupt, das nur „eine kurze Zeit bleiben“ wird (17,10), als das „Bild des Tiers“ (13,14.15). Das protestantische Amerika wird dieses Bild aufrichten, ein scheinchristliches, postdemokratisches Regime mit ökumenischer Ausrichtung, maßgeblich beeinflusst durch die evangelikalen Kirchen, gleichzeitig die Autorität des Papsttums anerkennend. Politisch gesehen müsste diese Bewegung jene Kräfte sowohl national wie global zurückdrängen, die noch das sechste Haupt (Säkularismus / Demokratie / Trennung von Kirche und Staat) repräsentieren. Entwicklungen in diese Richtung zeichnen sich bereits ab: Während nicht nur in Europa rechtskonservative, nationalistische Kräfte auf dem Vormarsch sind, kündigt sich in den USA getragen durch die Bewegung der „Neocons“, in welcher kirchliche Einflüsse eine bedeutende Rolle spielen, eine Zeitenwende an. Auch innerhalb der römisch-katholischen Kirche „brodelt“ es: Konservative Initiativen fordern allerorts die Rückbesinnung auf die traditionellen Ordnungen sowohl die Glaubenslehre als auch das staatskirchliche Selbstverständnis betreffend, und prangern unerhört offen modernistische Attitüden von Papst Franziskus an. Unterdessen kommen sich „amerikanischer“ Protestantismus und „europäischer“ Katholizismus immer näher – die ursprünglichen Verhältnisse stehen Kopf. Die Auswirkungen der weltweiten Klimapolitik, der Corona-Krise, der herannahenden Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der (Stellvertreter-) Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine und dürften das Ihrige zu einer bevorstehenden Neuordnung der Welt beitragen. Diese wird sich jedoch anders gestalten, als so mancher sich den „Great Reset“ vorstellen mag, denn die globale Zentralisierung der Macht wird, so sagt es die Bibel, einhergehen mit einem ungeahnten Revival der Religiosität.
Die 10 Hörner
Entsprechend den 7 Häuptern dürften auch die 10 Hörner des Drachens denjenigen des Tiers entsprechen:
Und ich sah aus dem Meer ein Tier aufsteigen, das zehn Hörner und sieben Köpfe hatte, und auf seinen Hörnern zehn Diademe, und auf seinen Köpfen Namen der Lästerung. […] 7 Und es wurde ihm gegeben, mit den Heiligen Krieg zu führen und sie zu überwinden; und es wurde ihm Macht gegeben über jeden Stamm und jedes Volk und jede Sprache und jede Nation. […] 10 Wenn jemand in Gefangenschaft ⟨geht⟩, so geht er in Gefangenschaft; wenn jemand mit dem Schwert getötet wird, so muss er mit dem Schwert getötet werden. Hier ist das Ausharren und der Glaube der Heiligen.
Offenbarung 13,1.7.10
Dass in der Beschreibung des Tiers in Offenbarung 13 nun die Hörner Kronen haben, legt nahe, dass es das Tier ist, das den durch die Hörner repräsentierten Nationen zur Macht verhilft (so wie der Drache den gekrönten Häuptern – also den Weltreichen – ihre imperiale Macht verleiht). So trug für die Verfolgung der Heiligen das Papsttum die Hauptverantwortung, doch an der Ausführung waren auch einige europäische Königreiche beteiligt, dargestellt durch die zehn Hörner.
Zur Deutung der Frau auf dem Tier
Johannes‘ Vision in Offenbarung 17 enthält eine Gesamtschau jenes Bündnisses, das am Ende gegen das Volk Gottes vorgeht – die Frau, das Tier und die zehn Hörner:
Und es kam einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen hatten, und redete mit mir und sprach: Komm her! Ich will dir das Gericht über die große Hure zeigen, die an vielen Wassern sitzt 2 mit der die Könige der Erde Unzucht getrieben haben; und die Bewohner der Erde sind trunken geworden von dem Wein ihrer Unzucht. 3 Und er führte mich im Geist hinweg in eine Wüste; und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das voller Lästernamen war und sieben Köpfe und zehn Hörner hatte. 4 Und die Frau war bekleidet mit Purpur und Scharlach und übergoldet mit Gold und Edelgestein und Perlen, und sie hatte einen goldenen Becher in ihrer Hand, voller Gräuel und Unreinheit ihrer Unzucht; 5 und sie hatte an ihrer Stirn einen Namen geschrieben, ein Geheimnis: Babylon, die Große, die Mutter der Huren und der Gräuel der Erde. 6 Und ich sah die Frau trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu. Und ich wunderte mich, als ich sie sah, mit großer Verwunderung. […] 12 Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, sind zehn Könige, die noch kein Königreich empfangen haben, aber mit dem Tier eine Stunde Macht wie Könige empfangen. 13 Diese haben einen Sinn und geben ihre Kraft und Macht dem Tier.
Offenbarung 17,1-6.12.13

Die Einleitung durch den Engel ist wichtig, um die hieran anschließend geschilderte Vision richtig einzuordnen. Es ist einer der Engel, die im vorangehenden Kapitel 16 die Zornesschalen Gottes (die letzten sieben Plagen) ausgossen, der eine Darstellung des Gerichts über die große Hure ankündigt. Nach der symbolischen Darstellung der antichristlichen Koalition der Endzeit wird en détail beschrieben, wie der Untergang dieses Bündnisses geschehen wird, und zwar erst ganz am Ende, wie aus der Beschreibung der siebten Zornesschale ersichtlich wird (16,19). Das Bündnis zerbricht, indem das Tier und die zehn Hörner die Frau zerstören (17,16), und erst daraufhin werden das Tier (offensichtlich samt seiner Hörner) und der falsche Prophet im Zuge ihrer Niederlage gegen Christus und sein Heer in den Feuersee geworfen (19,19.20). Einer solch expliziten symbolischen Aufteilung zwischen den Kirchen (Hure) und den Staatsmächten (Tier und Hörner) begegnen wir in den vorigen Kapiteln noch nicht. Sie erfolgt hier einmalig, wohl um zum einen darzustellen, dass das Bündnis der religiösen und staatlichen Institutionen schließlich durch innere Konflikte ein gewaltsames Ende finden wird, und zum anderen offenbar, um zu betonen, dass den Kirchen als den Hauptverantwortlichen für die Verführung der Menschen noch vor den staatlichen Gewalten ein besonderes Gericht widerfährt.
Hier ist der Verstand 〈nötig〉, der Weisheit hat: Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt. Und es sind sieben Könige: Die fünf 〈ersten〉 sind gefallen, der eine ist, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kurze Zeit bleiben.
Offenbarung 17,9.10
Der eingangs erläuterte Zusammenhang legt nahe, dass die Ordnung der Köpfe des Tiers ana- log zu der des Drachens zu verstehen ist. Der Hinweis, dass fünf dieser Könige schon gefallen sind, einer gerade regiert und ein weiterer noch kommt, deutet darauf hin, dass die Siebenzahl der Köpfe nicht nur eine symbolische ‚Vollständigkeit‘ zum Ausdruck bringt, sondern konkrete historische Bezüge hat. Dass Johannes in der Vision die Frau gerade in der Phase auf dem Tier sitzen sieht, in welcher der sechste Kopf regiert, macht insofern Sinn, als in diesem säkularistischen – und insofern historisch außergewöhnlichen – Zeitabschnitt Kirche und Staat institutionell getrennt sind. Die Kirchen sind somit im Bild nicht doppelt repräsentiert, wie es wäh- rend der Regentschaft des fünften (Katholizismus) oder siebten (Pseudo-Protestantismus) Haupts der Fall wäre. Außerdem erhält der Huren-Charakter der Kirchen auf diese Weise besonderen Nachdruck, denn sie können sich sogar mit atheistischen bzw. spiritualistischen Mächten gemein machen.
Noch einmal zu den Weltreichen, dargestellt durch das Tier bzw. seine Häupter:
Und das Tier, das war und nicht ist, es ist selbst sowohl ein achter als auch von den sieben und geht ins Verderben.
Offenbarung 17,11
Das Tier selbst, das „sowohl ein achter als auch von den sieben“ ist, „geht ins Verderben“. Es ist also anscheinend das Tier als solches gleichzeitig eines seiner Häupter, das schon einmal da war, eine tödliche Wunde erlitt, welche aber wieder geheilt wurde: das Papsttum, der „Mensch der Gesetzlosigkeit“ (2. Timotheus 2,3). Im Kampf gegen Gottes Volk am „Ende der Zeitalter“ (1. Korinther 10,11) brachte Satan das geistliche Rom hervor, den „Sohn des Verderbens“, der wie durch eine Geburt die Weltbühne betritt (Offenbarung 13,1) und bis zum Schluss bleibt (Anmerkung 6). Jene anderen, die die politische Macht später eine Zeit lang übernehmen, kön- nen oder wollen sich dennoch nicht von seinem Einfluss lösen und sind wenig mehr als seine Ableger. So erklärt es sich, dass in jener Statue, die König Nebukadnezar im Traum sah (Daniel 2), nach dem heidnischen Römischen Reich (Schenkel aus Eisen) nur noch die tönernen Füße kommen, mit Eisen vermengt, auf welchen Satans Weltgebäude steht. Während das Eisen die römisch-kirchliche Macht repräsentiert, entspricht der Ton der zehn Zehen aus dem Traum wohl den zehn Hörnern als Darstellung politischer Mächte. In der biblischen Prophetie bleibt also (das geistliche) Rom der Hauptgegner der treuen Christen, am Ende im Bündnis mit weiteren Nationen, die sich ihm unterordnen, sowie dem falschen Propheten, den USA.
Anmerkung 6
Satan bot diese Stellung Christus an, als er ihn in der Wüste versuchte (Matthäus 4,1-11), indem er Ihm die Reiche der Welt anbot, wenn Christus ihn anbeten würde.
Diese werden am Ende sämtlich in den Feuersee geworfen:
Und ich sah das Tier und die Könige der Erde und ihre Truppen versammelt, um mit dem, der auf dem Pferd saß, und mit seinen Truppen Krieg zu führen. 20 Und es wurde ergriffen das Tier und der falsche Prophet – der mit ihm war und die Zeichen vor ihm tat, durch die er die verführte, die das Malzeichen des Tieres annahmen und sein Bild anbeteten –, lebendig wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt. 21 Und die Übrigen wurden getötet mit dem Schwert, das aus dem Mund dessen hervorging, der auf dem Pferd saß; und alle Vögel wurden von ihrem Fleisch gesättigt.
Offenbarung 20,19-21

Die politische Macht der USA wird demnach zusammen mit derjenigen des ‚auferstandenen‘ römischen Kirchenstaats bis zum Ende bestehen bleiben, und die Schilderungen in Offenbarung 20 legen nahe, dass auch das Gericht an der Hure (den abgefallenen Kirchen) erst kurz vor der Wiederkunft Christi erfolgt. Die Menschen, die erkennen, dass sie getäuscht wurden und verloren sind, werden sich in aggressiver Weise gegen ihre geistlichen Hirten wenden; es wird außerdem weitere Auseinandersetzungen geben, in welchen etwa Arme gegen Reiche aufbegehren. Diese Ereignisse werden in kurzer Folge, teilweise auch gleichzeitig, passieren. In dem Moment, in dem das Volk Gottes sprichwörtlich in die Schusslinie geraten wird, da die Welt es für ihr Unglück verantwortlich macht, wird Jesus der Geschichte dieser Welt ein Ende setzen und mit großer Macht und Herrlichkeit in den Wolken des Himmels wiederkommen – Maranatha!
Schlussbemerkung
Am Ende wird die ganze Welt – mit Ausnahme der Übrigen, „die die Gebote Gottes und den Glauben Jesu bewahren“ (Offenbarung 14,12) – dem System Babylon unterworfen und damit ein Teil von ihm sein:
Denn von dem Wein der Wut ihrer Unzucht haben alle Nationen getrunken, und die Könige der Erde haben Unzucht mit ihr getrieben, und die Kaufleute der Erde sind durch die Kraft ihrer Üppigkeit reich geworden.
Offenbarung 18,3
Im diesem antitypischen Babylon gibt es wohlgemerkt eine Hierarchie: In dieser stehen, von Satan angeführt, die abgefallenen ‚christlichen‘ Kirchen (allen voran die römisch-katholische) ganz oben, gefolgt von den Staats-, Wirtschafts- und Finanzmächten der westlichen Industrienationen. Satan wird in der Bibel „König von Babylon“ genannt (Jesaja 14), die römische Kirche als „Babylon, die Große, die Mutter der Huren“ (17,5) bezeichnet, was impliziert, dass sie Töchter hat: Die protestantischen Kirchen sind zu ihren Nachkommen geworden (13,14). Wenn man zudem die Schilderungen des Gerichts über Babylon in Offenbarung 18 liest, wird deutlich, wie sehr in Babylon auch Staatswesen, Kultur und Wirtschaft inbegriffen sind:
[…] Denn in einer Stunde ist der so große Reichtum verwüstet worden. Und jeder Steuermann und jeder Küstenfahrer und Schiffsleute und alle, die auf dem Meere beschäftigt sind, standen weitab 18 und riefen, als sie den Rauch ihres Brandes sahen, und sprachen: Wer war der großen Stadt gleich? 19 Und sie warfen Staub auf ihre Häupter und riefen weinend und trauernd und sprachen: Wehe, wehe! Die große Stadt, in der alle, die Schiffe auf dem Meere hatten, reich wurden von ihrer Kostbarkeit! Denn in einer Stunde ist sie verwüstet worden.
Offenbarung 18,17-19
Je nach Fokus kann unter ‚Babylon‘ also entweder die römisch-katholische Kirche, (zusätzlich) die abgefallenen protestantischen Kirchen, oder aber die Gesamtheit der gesellschaftlichen Systeme jener Staaten verstanden werden, in welchen Kirchen, Regierungen und Handel in einer unheiligen, globalen Allianz kooperieren (13,7.8.16.17).
Entscheidend für die Errichtung des endzeitlichen Babylons, wie es wohl durch kein Bild der Bibel so intensiv dargestellt wird wie durch die Frau auf dem Tier, wird die Vereinigung jener drei geistigen Mächte sein, die zunächst nacheinander die abendländische Geschichte seit der Spätantike geprägt haben, und sich am Ende sodann zu einer zwar nur kurzfristigen, aber umso mächtigeren globalen Einheit zusammenschließen:
„Wenn einmal der Protestantismus seine Hand über die Kluft streckt, um die Hand der römischen Macht zu ergreifen, wenn er über den Abgrund hinweg die Hände des Spiritismus umfasst, wenn unter dem Einfluss dieser dreifachen Vereinigung die USA jeden Grundsatz ihrer Verfassung als einer protestantischen und republikanischen Regierung verwerfen und Vorkehrungen zur Verkündigung päpstlicher Unwahrheiten und Irrtümer treffen, dann können wir wissen, dass die Zeit für das außergewöhnliche Wirken Satans gekommen und das Ende nahe ist.“
E.G. White, Aus der Schatzkammer der Zeugnisse (Band 2), S. 132
