Persönlicher Hintergrund zur Dreieinigkeitsfrage – Dr. Ingo Sorke

In diesem Glaubenszeugnis beschreibt der Prediger und Universitätsdozent Ingo Sorke, wie er durch intensives Studium des Neuen Testaments die Lehre der Dreieinigkeit ablegte und wie anschließend seine Situation in der Gemeinde aussah. PDF
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Interviews mit weiteren Predigern

Ein einfacher, praktikabler Vorschlag

Ich schlage schlicht und einfach eine Rückkehr zu der Formulierung unserer Glaubenspunkte vor, die vor 1980 bestand hatte, insbesondere in Bezug auf die Punkte 2 bis 5. Als unterstützender Siebenten-Tags Adventist glaube ich an Gott den Vater, seinen buchstäblichen Sohn Jesus Christus und an deren Heiligen Geist:

„Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe, geboren unter Gesetz, (5)  auf dass er die, welche unter Gesetz waren, loskaufte, auf dass wir die Sohnschaft empfingen. (6)  Weil ihr aber Söhne seid, so hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater! (7)  Also bist du nicht mehr Knecht, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe durch Gott.“

(Gal 4,4-7)

Die trinitarische Drei-in-eins-Ausdrucksweise geht über die Offenbarung der Heiligen Schrift und des Geistes der Weissagung hinaus. Mein Ziel in Bezug auf Theologie: „So einfach wie möglich, so schwierig wie nötig“ (Eberhard Jüngel, Tübingen).

Meine grundsätzlichen Schlussfolgerungen sind als Traktate frei zugänglich (s. unten) und es wird weiteres konstruktives und verdeutlichendes Material folgen. Da ich (wie Paulus und Daniel) einen Ganztags-Job habe, braucht das allerdings etwas Zeit.

Eine persönliche Perspektive – Was ist passiert?!

Interview mit Ingo Sorke

Wie ich in dieses Thema überhaupt erst geraten bin … [momentan überarbeite ich diesen Abschnitt regelmäßig – bitte schaut öfters auf  http://www.ingosorke.com nach]

Über Jahre kamen in meinem Kopf Fragen auf, wenn ich die Lehre der Dreieinigkeit vorstellte – nicht, dass wir Gott auf irgendeine Weise vollständig verstehen könnten, aber dem Konzept der Dreieinigkeit fehlte ein „So spricht der Herr“, und es trotzte den Grundsätzen der Logik. Zudem sagten viele Verse, die wir verwendeten, um die Lehre zu verteidigen, nicht das aus, was wir sie aussagen ließen, was im besten Fall ziemlich beunruhigend und im schlimmsten Fall intellektuell unehrlich ist.

Das „TOSC“-Komitee zur Ordination

Dann kam das „TOSC“-Komitee zur Ordination in der Generalkonferenz (2012-2014). Nach einer aufschlussreichen Präsentation eines Predigers zu den Beziehungen innerhalb der Gottheit stand ein hochrangiger Bibellehrer auf und verkündete kategorisch (in meiner Wahrnehmung!): „Gott hat keinen Sohn!“ Ich war perplex – und beschloss, dieses Thema als nächstes zu studieren. [Jener Gelehrte hat mittlerweile klargestellt, dass Gott keinen „natürlichen“ Sohn, wie Menschen durch Fortpflanzung, zeugte. Ich allerdings vertrete den Standpunkt, dass Gott einen wortwörtlichen Sohn zeugte, wobei die Details diesbezüglich nicht offenbart wurden.]

Als die Ordinationsdebatte ausgereizt und keine Lösung in Sicht war (sie war hoffnungslos gelähmt durch Analysen, Emotionen, Missverständnisse und vorgefasste Meinungen), hatte ich Gott bereits seit einer Weile gefragt, was ich als nächstes studieren sollte. Während der gesamten Ordinationsdebatte wusste ich, dass es noch etwas anderes in unserem theologischen Austausch gab, das verquer war – ich konnte nur nicht genau sagen, was. Aber hier lag es: Die Sohnschaft und wahre Identität Jesu Christi, das wirkliche Kernstück des Großen Kampfes und der Tiefe und Höhe des Evangeliums.

Bibelstudium

Aus diesem Grund machte ich mich daran, das gesamte Neue Testament (auf Griechisch) zu lesen und dabei schlicht auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist zu achten – ohne weitere Literatur oder Quellen.

Erneut war ich perplex aufgrund der klaren und fortlaufenden Unterscheidung zwischen Gott und Seinem Sohn Jesus Christus und aufgrund der Abwesenheit von Standardphrasen wie „Gott der Sohn“ und „Gott der Geist“. Die Einleitungen der neutestamentlichen Briefe erweckten ganz besonders meine Aufmerksamkeit. Hier nur ein Beispiel (es funktioniert bei jedem Brief!):

„Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“

(Röm 1,7)

Wohlgemerkt: Ich stehe zu diesem Zeitpunkt in keinerlei Kontakt zu anti-trinitarischen Bewegungen, Menschen, Schriften oder Quellen. Ich lese einfach nur, studiere und denke nach. Allein mit dem Alleinigen!

Ich machte mir Joh 17,3, 1. Kor 8,6, 1. Kor 11,3, Eph 4,5, 1. These 1,9-10, 1. Tim 2,5 und 2. Joh 3 freudig zu eigen. Welch’ kostbare Wahrheit!

Dann legte während einer Gemeindekonferenz, bei der ich Seminare hielt, ein Sprecher die Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater dar. Ich richtete mich in meinem Stuhl auf und stupste meine Frau an: „Der da weiß, was ich auch weiß!“

Ich wurde schließlich auf einen Daniel Mesa und einen Allen Davis hingewiesen – Pastoren, die ich kurz auf einem Symposium zur Ordination getroffen hatte, die ich aber nicht persönlich kannte, geschweige denn mit ihnen kommuniziert hätte. Zu meiner Überraschung studierten auch sie gerade die Dreieinigkeits-Probelmatik und kamen unabhängig zu ähnlichen Schlussfolgerungen. 

Campmeeting in Michigan

Zu dieser Zeit wurde ich auch auf das Michigan Camp Meeting eingeladen, um über das Thema der Dreieinigkeit zu sprechen. Ich nahm die Einladung bereitwillig an und studierte weiter. Ein paar Wochen vor dem Campmeeting (Sommer 2016) wurde mir bewusst, dass ich die Lehre der Dreieinigkeit (in der Bedeutung „3 göttliche Personen = 1 Gott“, wie sie traditionsgemäß und in unseren Glaubenspunkten formuliert wird) nicht mehr guten Gewissens vertreten konnte, insbesondere nicht mit der Bibel in der einen und dem Geist der Weissagung in der anderen Hand. Mir schwante langsam, dass ich in großen Schwierigkeiten war!

Die Veranstalter erlaubten es mir dankenswerterweise, über ein anderes Thema zu sprechen. Ich nahm die Gelegenheit wahr, an einem Seminar zur Dreieinigkeit teilzunehmen. In bestürztem Unglauben folgte ich dem mir nun vertrauten fälschlichen Gebrauch der Heiligen Schrift zu diesem Thema und dem Übersehen (Vermeidung?) von Schlüsselzitaten Ellen Whites. Ich las das Buch des Sprechers (den ich sehr respektierte) sorgfältig durch, machte Unterstreichungen und Notizen.

Die 28 Glaubenspunkte

Im Sommer 2017 kamen Verantwortliche der NAD (Nord-Amerikanischen Division) und teilten unserem theologischen Lehrstuhl an der „Southwestern Adventist University“ mit, dass alle theologischen Hochschullehrer bald ein Bekenntnisschreiben zu den 28 Glaubenspunkten der Gemeinde unterschreiben müssten. (Ich glaube nicht, dass dies irgendwie mit meiner Situation in Verbindung stand.) Falls ein Hochschullehrer in irgendeiner Weise diesen Glaubenspunkten nicht zustimmen könnte, sollte ein Prozess der kollegialen Begutachtung der Glaubensansichten dieses Hochschullehrers initiiert werden. Ich sah die Schrift an der Wand, doch es sollte für mich nie zu dieser Begutachtung kommen.

Das Anfang vom Ende
Jeden zweiten Freitag: Bibelstudium mit Ingo Sorke auf Zoom

Nachdem ich einigen relevanten, keineswegs feindseligen Fragen zur Dreieinigkeit auf Facebook einen „Like“ gab, führte eins zum anderen und ich wurde von einigen Camp Meetings 2017 und 2018 wegen dieser Sache wieder ausgeladen. Manche dieser Absagen geschahen in gegenseitigem Einvernehmen mit Herzlichkeit und Respekt. Es war nicht mein Motiv, den Ruf irgendeiner Gemeindeinstanz oder von Leitern der Gemeinde zu beschädigen. „Tastet meine Gesalbten nicht an(1. Chr 16,22; Ps 105,15). Das war einer der Gründe, warum ich mich nicht in theologische Debatten in den sozialen Medien einmischte. Der Umgangston (Sarkasmus, Ironie, Herabsetzung, Spott, usw.) ist einem Dialog über göttliche Dinge nicht angemessen.

Ein bloßer „Like“ … und schon kamen die Mails. Wohlgemerkt: Ich hatte zu diesem Zeitpunkt über anti-trinitarische Ansichten weder gesprochen, geschrieben, veröffentlicht, gepredigt noch gelehrt. Aber ich stellte schnell fest, dass ein Angestellter unserer Denomination Ellen White leugnen kann, 1844, das himmlische Heiligtum, die Ewigkeit der zehn Gebote oder die Dauer des Sabbats von Freitag Abend bis Samstag Abend (von der Kanzel!), ohne dass dies Auswirkungen hätte. Aber wenn man die Lehre der Dreieinigkeit auch nur anrührt, fällt die Axt schnell. Unglücklicherweise werden rationales Erwägen, biblischer Dialog und der geschichtliche Zusammenhang überschattet von emotionalen, reflexartigen Reaktionen und Abweisung. Wenn sich die Pioniere im Grabe umdrehen könnten, das Innere ihrer Särge wäre bereits auf Hochglanz poliert. 

Ich honoriere sehr die Handvoll von Gelehrten, Predigern und Leitern, die sich um mich in einem Geist des Respekts und konstruktiven Dialogs bemühten. Das Gespräch von Angesicht zu Angesicht ist das Beste. (Etwas Essen hilft auch!)

Sommer 2018: Auf die Gefahr des temporären Verlusts hin

Nachdem ich einem Gemeindeleiter anvertraute, dass es das Beste für mich wäre, wegen des Rumorens der Gerüchteküche nicht an einem Campmeeting der Vereinigung teilzunehmen, verbreitete sich schnell die Kunde meiner historischen, prä-1980er Ansichten (welche ich, wie bereits erwähnt, zu diesem Zeitpunkt weder gelehrt, gepredigt noch veröffentlicht hatte). Ein paar Telefongespräche von Unbeteiligten im Mai 2018 führten zum Ende einer 20 Jahre lang währenden Laufbahn in der Lehre für unsere Gemeinschaft – über Nacht, ohne ein Studienkomitee, ohne kollegiale Begutachtung, ohne Rücksprache mit der Abteilung, ohne die vorgeschriebenen Prozesse unserer Denomination.

In meinen über 25 Jahren im Dienst für die Gemeinde – und während dieser schwierigen Sommertage – habe ich gelernt, dass es das Beste ist, miteinander von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Bedauernswerter Weise ist das häufig nicht der Fall. Wie viel Missverständnis und zwischenmenschliches Unheil könnte verhindert werden, wenn man diese einfachen Verfahren befolgen würde!

Am erstaunlichsten war ein Kommentar von einem Gemeindeverwaltungsleiter während all dem: „Ingo, du könntest Recht haben (!), aber sie müssen die Institution schützen.“

Kein Kommentar. Diese Aussage spricht Bände.

Die Notwendigkeit meiner Entlassung wurde offensichtlich – obwohl ich kein „neues Licht“ in Erwägung zog. Ich entdeckte und unterstütze einen Glauben, der über 100 Jahre lang tragfähig war!

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